Lebensqualität von Medizinstudenten : eine Studie zur Arbeitsbelastung, Gesundheit und der Bedeutung partnerschaftlicher Beziehungen im Medizinstudium

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2009

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Den Impuls für diese Arbeit gaben die Studien zum Gesundheitsverhalten und der Lebensqualität von Medizinern. Diese hatten erhebliche Belastungen der Gesundheit und Einbußen der Lebensqualität beschrieben. Auffällige Parallelen unter dem Aspekt der Arbeits- und Stressbelastung zeigten sich dabei zwischen der Situation von Medizinstudenten und der von Ärzten. Auch das bei Ärzten beschriebene überhöhte Maß an Arbeitseinsatz und Verausgabungsbereitschaft wurde ebenso für Medizinstudenten bestätigt. Der hierbei beschriebene Zusammenhang mit einem pathologischen Gesundheitsverhalten und erhöhten psychosozialen Risiken äußerte sich in psychischen Beeinträchtigungen, Substanzmissbrauch und Burnout. Zudem wurde eine im Vergleich zur Norm schlechtere psychische und physische Gesundheit festgestellt. Unter Betrachtung dieser Ergebnisse und der aktuellen Studienlage ergab sich die Frage, in wieweit die beeinträchtigte Sozialisation der Mediziner bereits im Studium besteht. Bisher existierenin diesem Kontext jedoch wenige Studien, die sich mit der Situation und insbesondere der Lebensqualität im Medizinstudium auseinandergesetzt haben. Ziel dieser Arbeit war es, die Lebensqualität bei Medizinstudenten auf spezifische Faktoren zu untersuchen und diese hinsichtlich ihrer Bedeutung auch für die späteren Berufsjahre einzuordnen. Im Vordergrund der Betrachtungen standen die sozialen Beziehungen der Studenten. Die partnerschaftlichen Beziehungen wurden dazu gesondert betrachtet und auf Zusammenhänge mit der Lebensqualität im Studium untersucht. Von besonderem Interesse waren auch die Zusammenhänge zwischen der Arbeitsbelastung und der Lebensqualität der Studenten sowie die unterschiedlichen Bewältigungskonzepte und Verhaltensstrategien im Umgang mit dem Studium. An der Justus-Liebig-Universität in Giessen wurden dazu Medizinstudenten des ersten bis 12 Studiensemesters in einer Querschnittsstudie befragt. Insgesamt wurden 250 Fragebogen ausgegeben, wobei mit 81,2% Rücklaufquote bei der Studienauswertung 203 gültige Fragebogen berücksichtigt werden konnten. Die Untersuchung setzte sich aus insgesamt fünf unterschiedlichenTestverfahren zusammen: Die subjektive Gesundheit wurde mit dem Fragebogen zum Gesundheitszustand (SF-36) und die Symptombelastung der Studenten mit der deutschen Version der Symptom Checkliste (SCL-90-R) untersucht. Die Untersuchung auf interpersonelle Probleme erfolgte mit dem IIP-D, dem Inventar zur Erfassung interpersonaler Probleme. Neben dem Fragebogen zu den Belastungen und Einstellungen von Medizinstudenten wurden die partnerschaftlichen Beziehungsmuster mit dem Beziehungsmusterfragebogen (BeMus-k) erhoben. Die Studienergebnisse zeigten eine subjektiv hohe Arbeitsbelastung im Medizinstudium. Im Vergleich zu den unteren Studiensemestern war eine geringere Arbeitsbelastung in den oberen Semestern zu beobachten, die jedoch mit einer geringeren Studienzufriedenheit und einer geringeren Lebensqualität im Studium einherging. Insgesamt lassen sich diese Ergebnisse als Hinweis für eine Akzeptanz der hohen Anforderungen im Studium und im Sinne einer Anpassungsreaktion betrachtet, die sich auch in einem veränderten Bewältigungsverhalten der Studenten widerspiegelte. Dieses war durch einen vermehrt leistungsorientierten und konkurrierenden Interaktionsstil und eine Reduktion der sozialen Unterstützung in den oberen Studiensemestern gekennzeichnet, der als Kennzeichen einer angepassten und erlernten Professionalisierung verstanden werden kann. Die Unterschiede zwischen den männlichen und weiblichen Studenten bezüglich der Bewältigungder enormen Leistungsvorgaben und Arbeitsbelastung im Studium, lassen sich offenbar auf die geschlechtstypischen Rollenkonzepte zurückführen. Im Vergleich zu Männern scheint sich die kommunikative und soziale Familienrolle der Frauen im Studium allerdings nachteilig für die Bewältigung der Anforderungen und Leistungsvorgaben auszuwirken. Dies äußerte sich in einer geringeren Lebensqualität und Studienzufriedenheit sowie in einer höheren Arbeitsbelastung bei weiblichen Studenten. Die von Männern beschriebene, deutlich höhere Lebensqualität und Studienzufriedenheit deutet hingegen auf eine höhere Passung mit der Studienrolle. Das stereotypische, maskuline Selbstkonzept ermöglicht offensichtlich eine bessere Anpassung an die Leistungsvorgaben des Studiums und bietet somit auch ein geringeres Konfliktpotential. Daneben scheint sich auch der vermehrt leistungsadaptierte und konkurrierende Typ-A Persönlichkeitsstil sowie die Reduktion der sozialen Unterstützung in der Bewältigung des Studiums in die leistungsorientierte Berufsrolle der Männer einzupassen. Während das berufliche Ansehen und der berufliche Erfolg hierbei in den Vordergrund gestellt werden, rücken emotionale und persönliche Belange in den Hintergrund. Im Gegensatz zu den Studenten der unteren Studiensemestern kann der von den oberen Studiensemestern beschriebene Bewältigungsstil im Umgang mit dem Studium als Kennzeichen der pathologischen Sozialisation im Studium betrachtet werden. Durch eine höhere Passung mit den Anforderungen und Leistungsvorgaben des Studiums scheint dieser offenbar einen stress- und konfliktärmeren Umgang mit dem Studium zu ermöglichen. Gleichzeitig kann die damit einhergehende Verschlechterung der psychischen und physischen Gesundheit und die geringere Lebensqualität der oberen Studiensemester, als Kehrseite dieser Anpassung verstanden werden.Trotz des positiven Einflusses sozialer Unterstützung verweisen die Ergebnisse insgesamt auf eine Belastung der Studenten durch partnerschaftliche Beziehungen. Dieses äußerte sich in einer höheren Arbeitsbelastung und in einer geringeren Studienzufriedenheit und Lebensqualität als bei Singles. Die im Vergleich zu den unteren Semestern deutlich geringere Partnerschaftszufriedenheit in den oberen Studiensemestern zeigte einen Zusammenhang mit einem leistungsorientierten, aggressiven und konkurrierenden Interaktionsverhalten, das als negatives Merkmal der Professionalisierung im Medizinstudium betrachtet werden kann. Die Ergebnisse dieser Arbeit zur Lebensqualität von Medizinstudenten sind alarmierend. Sie lassen den Schluss zu, dass das Medizinstudium in seiner jetzigen Form offensichtlich eine pathologische Sozialisation fördert, die als Wegbereiter für die schlechtere Lebensqualität und das gestörte Gesundheitsverhaltens bei Medizinern betrachtet werden kann. Parallelen zeigen die hier vorliegenden Ergebnisse auch zu anderen Studien, die ebenfalls hohe Belastung bei Medizinstudenten beschrieben haben. Durch die dargestellten Zusammenhänge zwischen der Lebensqualität, der Gesundheit, der Arbeitsbelastung und den sozialen Faktoren im Studium konnten Aspekte aufgezeigt werden, die offenbar einen Anteil an der Entwicklung der pathologischen Sozialisation nehmen. Die Ergebnisse dieser Arbeit sollten Anlass für zukünftige Studien sein, sich der Thematik der beeinträchtigten Sozialisation und der Belastungen der Lebensqualität im Studium zu widmen. Neben der Durchführung von Vergleichsstudien an bundesdeutschen Hochschulen und Kollektiven von Medizinstudenten sollten auch Studien in anderen Studiendisziplinen erfolgen, um eine repräsentative Datenlage zu erzielen. Betrachtet man die bisherigen Reformschritte im Curriculum der Medizin, so ist anzunehmen, dass eine nachhaltige Verbesserung der bisherigen Situation nur schrittweise erzielt werden kann. Die Studien die eine Sensibilisierung und Bewusstmachung der Thematik der Lebensqualität in der Profession der Medizin geleistet haben, scheinen offenbar ein Schritt in die richtige Richtung zu sein.


The motivation to write this dissertation was prompted by studies on health conduct and the quality of life. They described considerable impact on health and a loss of quality of life when the situation of medical students and that of medical doctors were compared. The increased workperformance and enthusiasm observed in medical doctors was also confirmed for medical students. The connection between pathological health behaviour and an increase in psychosocial risks demonstrated itself in psychological restrictions, substance abuse and burnout. Furthermore, in comparison with the norm, a decline in psychological as well as physical health was observed. On closer examination of the results and the current knowledge question to ask was to what extent the socialisation of the medical profession was already being influenced during the course of medical education. In this context there are very few studies which examine the situation especially with regard to the quality of life during academic studies. The aim of this study was to examine the quality of life of medical students in regard to specific factors and to classify their significance for their future professional life. The emphasis was on the observation of social relationships of the students was in the foreground. The relationships based on partnerships were separately taken into consideration and examined in connection with the quality of life during academic studies. The correlation between professional workload and quality of life of the students as well as different concepts of coping with difficulties and the behavioural strategies associated with the students were of special interest. At the Justus-Liebig-University in Giessen, in a cross section study medical students from 1st to 12th semesters were surveyed. Altogether 250 questionnaires were handed out, 81, 2 % were returned so that 203 valid questionnaires were evaluated. The examination consisted of 5 different tests: subjective health was tested by using the short-form health survey (SF 36) andsubjective symptom strain of students by using the German revised version of the Symptom CheckList (SCL-90-R). The examination of interpersonal problems followed by using the Inventory ofInterpersonal Problems (IIP-D). Besides the Questionnaire on the Workload and Attitudes of Students of Medicine we analyzed the students´ partnerships with the Questionnaire on the Patternof Relationships (Be-Mus-k).The results of the study showed a subjectively high amount of hard work during the course of medical studies. In comparison to the first-year university students with the last-year students, wecould observe less workload which went together with less satisfaction and a lower quality of lifeduring the course of studies. Altogether we can say that these results may be an indication of acceptance of high demands during the course of medical studies as an adjustment reaction which reflects the change in performance orientation of the students. This was characterized by anincreased tendency towards a performance and competition-oriented style of interaction, as wellas a reduction of social support with the final-year students and can be understood as acharacteristic of adapted and trained professionalism.The differences between male and female students regarding the accomplishment of enormoustasks and high performance during the course of studies can be traced back to sex-specific roleconcepts. In comparison to male students it seems that the social family role of women results ina detrimental effect concerning demands and performance. This manifested itself in lower qualityof life and satisfaction during the course of studies as well as in a higher workload of femalestudents. The distinctly higher quality of life and contentment described by male students suggest,however, a higher adjustment to the academic challenges. The stereotypical masculine self-conceptobviously enables better adjustment to the standards of performance of studies and consequently presents a lower potential of conflict. In addition to that a higher adaptation of performance and competition oriented type-A personal style as well as a reduction of social support in accomplishment of academic studies seem to fit the performance-oriented professional role of male students. While the prestige, reputation and professional success appear to be in the foreground, emotional and personal interests remain in the background. In contrast to reports of students of lower semesters, the description of the style of accomplishment concerning the academic studies of higher semesters might be seen a sign of pathological socialisation. Through a higher adaptation to the requirements and performance in the course of studies it seems that it obviously enables less stress and conflict during academic studies. At the same time a decrease in psychical and psychological health and a lower quality of life of higher semesters could be understood as the disadvantage of this adaptation. In spite of positive influences through social support the results point to a certain pressure with students in partnerships. It manifested itself in higher subjective workload and in lower degree of satisfaction and lower quality of life during academic studies in comparison to the singles. The lower degree of satisfaction in partnership of the higher semesters in comparison to the lower ones showed a connection to a performance-oriented, aggressive and competitive interactive behaviour that could be considered a negative sign of professionalisation of medical studies.The results of this paper concerning the quality of life of medical students are alarming. We have come to the conclusion that the study of medicine in its present form apparently promotes apathological socialization that paves the way for a poor quality of life and that it leads to disturbed health behaviour in medical students. The present paper shows parallels to other studies which also describe high workload in medical students. By presenting the correlation between quality of life, workload as well as social factors during academic studies we have pointed to aspects that obviously contribute to the development of pathological socialization. The results of this paper should prompt future studies which would deal with the topic of disturbed socialization and pressure of quality of life during the course of studies. Apart from the implementation of comparative studies by German universities and by groups of medical students, other studies indifferent fields of study should follow in order to gain representative data records. Regarding the latest reforms in the medical curriculum we assume that a lasting improvement of the present situation can only be reached step by step. The studies on sensitization and awareness of the topic of quality of life in medical profession seem to be a right step in the forward direction.

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